Politik Wissen

Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

Die Politik muss sich von ihrem Anspruch auf Totalverwaltung verabschieden. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Dies gelesen: «In der heutigen Welt kommt es auf Grösse an.» (EU-Kommissar Maros Sefcovic, in: NZZ, 19.3.2024)

Das gedacht: Für EU-Kommissar Maros Sefcovic steht fest, dass für die Schweiz kein Weg an einer institutionellen Anbindung an die EU vorbeiführt. Dies aus einem einfachen Grund: Gut ist, was gross ist. Eine Vorstellung, die nicht nur EU-Politiker auszeichnet. Nur, stimmt dies? Liegt, wie Sefcovic behauptet, die Zukunft in möglichst grossen Organisationen?

Die Fakten jedenfalls sprechen eine andere Sprache. Der Trend geht nicht in Richtung grosser politischer Einheiten. Von 1900 bis heute stieg die Zahl der Staaten von weltweit 50 auf knapp 200. Im 20. Jahrhundert entstand alle neun Monate ein neuer Staat. Auch im 21. Jahrhundert setzt sich die Staatenvermehrung fort, wenn auch verlangsamt. Egbert Jahn spricht von der wundersamen Vermehrung der Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

Grösse ist auch keine Garantie für Wohlstand. Im Gegenteil. 16 der 20 Länder mit dem grössten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2022 haben weniger als 10 Millionen Einwohner.

Und Grösse macht erst recht nicht glücklich. Gemäss dem World Happiness Report gehört zu den zehn Staaten mit den glücklichsten Menschen kein einziger Grossstaat. Bei den Top Ten liegt der Durchschnitt bei 7.1 Millionen Einwohnern.

Industrielle Logik

Grösse hat wenig mit den Menschen und ihren Bedürfnissen zu tun. Das Denken in Grössenvorteilen entspricht nicht der menschlichen, sondern einer industriellen Logik. Immer geht es darum, dank Grösse Skalenerträge und Grenzkosten zu optimieren. Und dies nicht nur in der Massenproduktion, den Massenmedien oder dem Massentourismus, sondern auch in der Staatsorganisation.

Das Ziel sind soziale Systeme, die als perfekte Maschine funktionieren und mit minimalem Output massenhafte Bedürfnisse bedienen. Bürokratisierung und Zentralisierung durchdringen sämtliche Bereiche. Max Horkheimer spricht von der totalen Verwaltung der Welt. Alles wird reglementiert, kontrolliert und sanktioniert. Was zählt, ist der normierte Bürger, die normierte Schülerin, das normierte Produkt. Einheitlichkeit und Organisation sind die Denkweise und das Handlungsmuster der industriellen Gesellschaft.

Digitale Revolution

Herausgefordert wird die industrielle Logik durch die digitale Revolution. Dank ihrer radikalen Einfachheit funktioniert die Digitalisierung in den verschiedensten kulturellen Zusammenhängen. Auf der ganzen Welt arbeiten und kommunizieren Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichem Bildungsniveau mit den denselben Geräten und denselben Funktionen. Die weltweite Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit digitaler Innovationen machen die Globalisierung aus. Die Welt ist zu einem grossen Dorf geworden.

Gleichzeitig lösen digitale Technologien unsere Gesellschaft immer feiner auf. Christoph Kucklick beschreibt diese Entwicklung mit dem Begriff der «granularen Gesellschaft». Wir erleben eine Messrevolution, können das soziale Leben, die Kommunikation, die Natur oder unseren Körper viel feinkörniger vermessen und erfassen als je zuvor.

Nachrichten erreichen uns in enormer Auflösung und über unzählige Quellen. Auf unseren Smartphones buhlen Apps von regionalen, nationalen und internationalen Anbietern, Bezahlmedien, Gratisportalen und sozialen Netzwerken um unsere Aufmerksamkeit.  Facebook bietet seinen Nutzern rund sechzig Möglichkeiten, das eigene Geschlecht zu benennen. Differenzierungen, die mit digitalen Technologien ohne Probleme zu bewältigen sind.

Die einer industriellen Logik geschuldete Einheitlichkeit, die Notwendigkeit der Normierung, der Gleichschaltung und damit der Durchschnitt verlieren in der digitalen Welt an Bedeutung. Unsere Gesellschaft steht an der Schwelle zum Zeitalter der Verschiedenheit.

Fragmentierung

Die Schnittmenge der einzelnen sozialen Milieus wird immer kleiner. Das Lebensgefühl eines Google-Mitarbeitenden in der Europa-Allee in Zürich hat mehr mit dem Alltag von Menschen aus San Francisco oder London zu tun als mit dem Toggenburg.

Manager globaler Konzern verabschieden sich von den Niederungen der nationalen Politik. Auch die Hochschulen haben sich weit vom gesellschaftlichen und politischen Leben ihrer Standortgemeinden entfernt. Universitätsprofessoren bewegen sich aus nachvollziehbaren Gründen bevorzugt in ihrer internationalen Wissenschaftscommunity.

Ausgeprägt zeigen sich diese Auflösungstendenzen in der Parteienlandschaft. In Italien sind die einst mächtigen Volksparteien von der Bildfläche verschwunden. Vergleichbares gilt für Frankreich. Macron gründete für seinen Präsidialwahlkampf eine eigene, als Bewegung aufgezogene politische Partei.

Die SVP entwickelte sich vom Juniorpartner im Bundesrat zur mit Abstand stärksten Partei der Schweiz. Links der Mitte etablierten sich die Grünen und die Grünliberalen als eigenständige politische Kräfte. Und selbst das Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland, das darauf angelegt ist, neuen Parteien das Leben schwer zu machen, kann die fortschreitende Zersplitterung nicht verhindern.

Die immer wieder beklagte Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft. Die damit verbundenen Herausforderungen lassen sich mit der Denkweise und den Handlungsmustern der industriellen Gesellschaft nicht bewältigen. Das Streben nach Einheitlichkeit und perfekter Organisation führt in die Sackgasse. Dies zeigen die allgegenwärtigen politischen Krisen, explodierende Staatsschulden und der Vertrauensverlust in unsere politischen Institutionen.

Systemkrise

Kennzeichnend für diese Verwerfungen ist, dass sich diese den gewohnten politischen Differenzierungen entziehen. Mal sind es linke, mal bürgerliche Regierungen, die von Massenprotesten herausgefordert werden. Die Unzufriedenheit über die politischen Verhältnisse prägt den politischen Diskurs in wohlhabenden Staaten genauso wie in Volkswirtschaften mit einem bescheidenen durchschnittlichen Realeinkommen.

Selbst gefestigte Rechtsstaaten wie die Schweiz greifen zu Notrecht. Verfassungsmässig garantierte Grundrechte und geltende Gesetze werden kurzerhand ausser Kraft gesetzt, politische Überzeugungen über Nacht entsorgt. Wer gestern bedingungslos für den Frieden kämpfte, fordert heute Waffenlieferungen. Bürgerliche Kreise setzen darauf, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Die Tatsache, dass diese politischen Erschütterungen alle westlichen Länder erfassen, unabhängig von der institutionellen Ausgestaltung und unabhängig von aktuellen Mehrheitsverhältnissen, weist darauf hin, dass wir es nicht mit den Problemen einzelner Politikerinnen und Politiker, Parteien oder bestimmten Ideologien, sondern mit einer Systemkrise zu tun haben.

Offene Gesellschaft

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht mit den Ideen des 18. Jahrhunderts, den Institutionen des 19. Jahrhunderts und den Methoden des 20. Jahrhunderts bewältigen. Der Werkzeugkasten der Industriegesellschaft hat ausgedient.

Jeder Versuch, den gesellschaftlichen und politischen Wandel mit immer mehr Vorschriften und Kontrollen, mit dem Ausbau der öffentlichen Verwaltung und staatlich finanzierten Programmen in den Griff zu bekommen, scheitert an der Komplexität der digitalen Gesellschaft. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Bereits vor Jahrzehnten wies F. A. Hayek darauf hin, dass Fortschritt nicht geplant werden kann. Wer die ganze Gesellschaft zu einer einzigen Organisation macht, die nach einem einzelnen Plan entworfen und geleitet wird, zerstört die Kraft der individuellen menschlichen Vernunft. Der Entwicklungsprozess verliert seinen experimentellen Charakter. Es bleibt kein Raum für Unvorhergesehenes und Unvoraussagbares.

Eine fragmentierte Gesellschaft lässt sich nicht von oben nach unten regieren. Auf Jahrzehnte angelegte Massnahmenpläne zeugen von grenzenloser Selbstüberschätzung. Politische Massnahmen, die der einzelnen Bürgerin und dem einzelnen Bürger unter Strafandrohung vorschreiben, wer sich wann wie zu verhalten hat, sind nicht Teil der Lösung, sondern das Problem. Die Menschen brauchen keine staatlich verordnete Ergebnisgleichheit, sondern eine offene Gesellschaft, die jeder und jedem die Freiheit und die Chance gibt, das eigenes Glück zu suchen und zu finden.

Gentle Anarchist

Anders als von Maros Sefcovic behauptet, kommt es nicht auf Grösse an. Grösse an sich ist kein Wert. Weit entscheidender sind der Wettbewerb der Ideen, eine Vielfalt an Lösungsansätzen und die Verschiedenheit sozialer Systeme. Die Summe der Gedanken vieler übertrifft selbst die klügste Person.

Die Politik muss sich von ihrem Anspruch auf Totalverwaltung verabschieden. Das Betriebssystem der digitalen Gesellschaft ist nicht ein übergeordnetes Kollektiv, sondern das freie Zusammenspiel einer Vielzahl von unterschiedlichen Communities mit je eigenen thematischen Absichten.

Die entscheidenden Akteure sind dabei Menschen, die als «Gentle Anarchist» ihren eigenen Weg gehen, die Verantwortung für ihr Leben und die Gesellschaft selbst in die Hand nehmen. Unabhängig von obrigkeitsstaatlichen Direktiven und unabhängig von wohlfahrtsstaatlichen Zuwendungen. Frei nach Erich Kästner: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tun es selbst.»

Dieser Text zitiert ältere Publikationen des Autors:

(2020)  Wer sich nicht bewegt, wird bewegt.

(2018)  Systempluralismus – Politik im 21. Jahrhundert

(2017)  Diagnose: Digitaler Jetlag

(2015)  Baustelle Nationalstaat

(2014)  Mehr Vielfalt, weniger Politik.

Politik

Allzu viel ist ungesund

Die Fraktion der Staatsabhängigen hat heute über alle politischen Parteien hinaus einen zahlenmässigen Umfang, der ihr bei Abstimmungen zu staatsnahen Vorlagen und zunehmend auch bei Wahlen eine Mehrheit garantiert.

Dies gelesen: «Bern, so muss man wissen, verwöhnt seine Beamten schon heute auf eine Weise, von der man in der Privatwirtschaft meist nur träumen kann.» (Quelle: www.nzz.ch, 30.5.2023)

Das gedacht: Am 18. Juni 2023 knallten vielerorts die Champagnerkorken. Am lautesten wohl in den Räumlichkeiten der Initianten der Gletscher-Initiative. Einmal mehr hat eine linke Lobby-Organisation die direkte Demokratie in ein funktionierendes Geschäftsmodell umgebaut. Mit den richtigen Themen und der richtigen Kommunikationsstrategie lassen sich im grossen Stil Spendengelder beschaffen und eigene Leistungen finanzieren.

Wenig überraschend kündigten die Geschäftsführerinnen noch am Abstimmungssonntag die nächste Initiative an. Niemand schlachtet ein Huhn, das goldene Eier legt. Bemerkenswert aber auch die strategische Überlegenheit, mit der die Gletscher-Frauen die bürgerlichen Mitteparteien vor sich hertrieben.

Viel zu feiern gab es auch bei den Eigentümern von Mehrfamilienhäusern und Wohnblöcken sowie bei allen Unternehmen, die Heizungen installieren und Gebäudehüllen sanieren. Sie alle kommen in den Genuss von Milliarden an Subventionsgeldern. Finanziert vom Mann und der Frau von der Strasse. more

Politik

Irgendwann ist jede Zitrone ausgepresst

Das Hauptproblem der vom Stadtrat der Stadt St.Gallen beklagten Zentrumslasten ist nicht die mangelnde Zahlungsbereitschaft der Agglomerationsgemeinden, sondern die fehlende Kostenwahrheit bei der staatlichen Leistungserbringung.

Dies gelesen: «Der St.Galler Stadtrat hat die Zentrumslasten der Stadt neu erheben lassen. Die Studie zeigt: Die Stadt erbringt jedes Jahr Leistungen von 12 Millionen Franken, für die sie nicht entschädigt wird.» (Quelle: www.tagblatt.ch, 23.5.2023)

Das gedacht: Mit einer kürzlich publizierten Studie versucht der St.Galler Stadtrat aufzuzeigen, dass jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Stadt die Kultur- und Freizeitaktivitäten der Besucher von ausserhalb jährlich mit 160 Franken finanziert.

Dies, weil beispielsweise im Naturmuseum drei Viertel der Besucherinnen und Besucher in den Agglomerationsgemeinden, den benachbarten Kantonen und der übrigen Schweiz wohnen. Betriebsbeiträge bekommt das Naturmuseum jedoch, abgesehen von einem Zustupf aus dem kantonalen Lotteriefonds, ausschliesslich von der Stadt.

Für den Stadtrat steht deshalb fest, dass die Stadt St.Gallen über den Finanzausgleich mehr Geld vom Kanton erhalten sollte. In dieser Betrachtungsweise geht allerdings eine andere, nicht weniger entscheidende Asymmetrie bei der Subventionierung staatlicher Institutionen vergessen.

Die Finanzierung von Kultur- und Freizeitaktivitäten über Steuergelder hat zur Folge, dass indirekt auch all diejenigen zur Kasse gebeten werden, die am entsprechenden Angebot gar nicht interessiert sind. Nichtschwimmer finanzieren das Hallenbad Blumenwies mit. Junge Menschen, die einen Kinobesuch einer Gemäldeausstellung vorziehen, beteiligen sich über ihre Steuern am Museumsbesuch von Kunstbegeisterten. Vergleichbares gilt für alle Personen, die lieber ans Open Air statt ins Theater, in die Grabenhallte oder ins Palace gehen. Und so weiter. more

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Die Checkbuch-Demokratie zerstört das Checkbuch und die Demokratie

Die direkte Demokratie macht das politische System der Schweiz besonders anfällig für finanzielle Gegengeschäfte. Mehrheiten an der Urne werden gekauft.

Dies gelesen: «Die neuen Subventionen summieren sich auf 3,2 Milliarden Franken. Angesichts dieser erklecklichen Summe stehen auch die meisten Wirtschaftsverbände hinter der Vorlage.» (Quelle: Die Mär vom grünen Wirtschaftswunder, Christoph Eisenring, NZZ, 16.5.2023)

Das gedacht: Endlich kommt Licht in den Schweizer Subventionsdschungel. Wie eine Untersuchung des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern zeigt, sind aus wohlfahrtstheoretischer Sicht vier von fünf Subventionsfranken fragwürdig oder überflüssig. Die potentiell schädlichen Subventionen belaufen sich auf 38 Milliarden Franken.

Zu den wohlfahrtsvermindernden Effekten gehören Wettbewerbsverzerrungen durch selektive Vergabekriterien, die Verdrängung privater Angebote und sogenannte Mitnahmeeffekte. Mit staatlichen Geldern werden Heizungen saniert, die ohnehin hätten ersetzt werden müssen.

Wie sehr die öffentliche Hand beim Verteilen staatlicher Gelder jede Beisshemmung verloren hat, zeigte sich in der jüngsten Bankenkrise. Der Bund sicherte die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS mit Garantien von insgesamt 259 Milliarden Franken ab. Geld spielt keine Rolle. more

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There is no such thing as a free lunch

Selbstverständlich kann man die Ansicht vertreten, dass Subventionen für Hauseigentümer und Unternehmen das Klima retten. Wer jedoch vorgibt, dass dies keine finanziellen Konsequenzen für das Volk hat, handelt unredlich.

Dies gelesen: «Die Massnahmen sollen aus den allgemeinen Bundesmitteln finanziert werden. Die Vorlage enthält keine neuen Steuern, Gebühren oder Abgaben.» (Quelle: Bundesamt für Umwelt BAFU, Klima- und Innovationsgesetz: Abstimmung am 18. Juni 2023, 21.04.2023)

Das gedacht: Am 18. Juni stimmen wir über das Klimagesetz ab. Dieses sieht vor, dass in den kommenden zehn Jahren Hauseigentümer zusätzlich zu den bisherigen Fördertöpfen für die Umstellung auf klimaschonende Heizungen 2 Milliarden Franken an Subventionen erhalten sollen. Weitere 1.2 Milliarden gehen an Industrieunternehmen und Gewerbebetriebe, die innovative Technologien zur klimaschonenden Produktion einsetzen.

Nun kann man natürlich mit der Mehrheit des Parlamentes der Überzeugung sein, dass Hauseigentümer und Unternehmen besonders notleidend sind und diese einen Anspruch darauf haben, von der Allgemeinheit finanziert zu werden. In dieses Bild passt die Begeisterung, mit der sich Branchenverbände wie Holzbau Schweiz, der Gebäudetechnikverband oder Gebäudehülle Schweiz für den staatlichen Geldsegen einsetzen. Was gibt es Schöneres als ein staatlich garantiertes und von den Steuerzahlenden finanziertes Milliardengeschäft? more

Politik

Sauhäfeli, Saudeckeli

Was uns immer wieder wohlklingend als Public Private Partnership verkauft wird, ist in Tat und Wahrheit eine ungesunde Vermischung von privaten und öffentlichen Interessen.

Dies gelesen: «In diesem Frühjahr bestimmte eine Mehrheit im Gemeinderat, dass die Filmstars zum Zurich Film Festival künftig nicht mehr mit Limousinen anreisen sollen. (…) Stattdessen sollen die Schauspieler, nachdem sie per Bahn angereist sind, bitte zu Fuss gehen, das Tram benützen oder den Limmatquai hoch radeln.» (Quelle: www.nzz.ch, 16.3.2023)

Das gedacht: Der linksgrüne Gemeinderat der Stadt Zürich kann aus dem Vollen schöpfen. Jedes Jahr liefern die 250 grössten Unternehmen rund 800 Millionen Franken an Steuergeldern ab. Mehr als die Hälfte davon kommt von den Banken. Mit dem Geld des Klassenfeinds lässt sich wunderbar Politik machen.

Dazu gehören etwa die Einführung eines Menstruationsurlaubs, eines Mindestlohns oder einer Energiekostenzulage. Nicht weniger grosszügig zeigt man sich bei der Verabschiedung neuer Verbote. Auf der staatlichen Abschussliste stehen nicht nur hunderte von Parkplätzen, sondern auch Laubbläser, das Feuerwerk beim Zürifäscht oder digitale Werbeflächen.

Und nun will man auch die Stargäste des Zurich Film Festivals umerziehen. Künftig sollen diese nicht mehr mit der Limousine, sondern mit dem Tram oder dem Velo bei dem in Zürich bezeichnenderweise grünen «Roten Teppich» vorfahren. more

Politik

Keller-Sutter und der liberale Kompass

Private Unternehmen, deren Konkursrisiko für das System kein Problem ist, die weder staatliche Subventionen noch staatliche Sicherheitsgarantien beanspruchen, sollten von der Politik in Ruhe gelassen werden.

Dies gelesen: «Es ist leider so, dass der Konkurs einer international systemrelevanten Bank völlig andere Konsequenzen hätte als der Konkurs eines KMU.» (Quelle: BR Karin Keller-Sutter, www.nzz.ch, 25.3.2023)

Das gedacht: Bundesrat, Nationalbank und Finma haben als Gegengift zum Vertrauensverlust der Credit Suisse Notrecht eingesetzt. Die «Too big to fail»-Gesetzgebung, die Eigentumsgarantie, Aktionärsrechte, das Wettbewerbsrecht und das Öffentlichkeitsgesetz wurden ausser Kraft gesetzt. Wenn es wirklich schwierig wird, erweisen sich der Gesetzgebungs- und Verordnungsoverkill, die Vollzugsbürokratie und die Flut von externen Expertisen und Beratungsmandaten als unbrauchbar. Wie bereits bei Corona und der Energiewende entpuppen sich die 30’000 Bundesangestellten als reine Schönwetter-Piloten.

Nun ist es zweifellos so, dass der Konkurs einer Grossbank gesamtwirtschaftlich andere Konsequenzen hat als die Zahlungsunfähigkeit einer Bäckerei oder eines Maschinenbauunternehmens. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn sich die Politik und die Verwaltung mit diesen systemrelevanten Unternehmen beschäftigen und mit bürokratischen Massnahmen Leitplanken für deren Geschäftstätigkeit definieren. more

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Gewerkschaftliche Bruchlandung

Der Niedergang der Gewerkschaften wird durch obrigkeitsstaatliche Aufgaben sowie die Nähe der Medienschaffenden zu gewerkschaftlichen Anliegen mehr als kompensiert. Wer braucht schon Mitglieder, wenn er die Verwaltung und die Konzernmedien auf seiner Seite hat?

Dies gelesen: «SNB-Initiative: Abbruch der Unterschriftensammlung» (Quelle: www.sgb.ch)

Das gedacht: Vor einem Jahr lancierte der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Volksinitiative «Nationalbankgewinne für eine starke AHV». Dies in der festen Überzeugung, dass die Notenbank auch in Zukunft, so SP-Nationalrat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard, weitere Milliarden erwirtschaften wird. An die Möglichkeit von Verlusten wurde gar nicht erst gedacht. Einfältiger geht es nicht.

In der Zwischenzeit hat die Wirklichkeit die Phantasten des Gewerkschaftsbundes eingeholt. Gemäss provisorischen Berechnungen schrieb die Schweizerische Nationalbank im Jahre 2022 einen Verlust von 132 Milliarden Franken. Die in den vergangenen Jahren aufgebaute Ausschüttungsreserve hat sich über Nacht in Luft aufgelöst. Konsequenterweise hat der Gewerkschaftsbund die Unterschriftensammlung für seine Initiative abgebrochen.

Gescheiterte Unterschriftensammlungen bei Volksinitiativen sind nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist hingegen die Bruchlandung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Dies in zweifacher Hinsicht. more

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Anmassung von Wissen

Heute heisst es: In Bundesbern muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Eine Direktive, die zum Scheitern verurteilt ist. Nicht nur in der Klimapolitik.

Dies gelesen: «Der Bund sorgt dafür, dass die Wirkung der in der Schweiz anfallenden von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 Null beträgt.» (Quelle: Art. 3 Abs. 1 Klimaschutzgesetz)

Das gedacht: Der Bund nimmt die Sache in die Hand. So steht es im Klimaschutzgesetz, über das wir im Sommer abstimmen. Er kann es. Dies trifft erfahrungsgemäss dann zu, wenn es um das Tagesgeschäft geht. Unsere Nationalstrassen, der Bau von Eisenbahntunnels, aber auch die Steuerverwaltung, die Mehrwertsteuerkontrolle, das Verteilen von Subventionen an die Landwirtschaft, Sportverbände oder die Kultur, dies alles funktioniert vergleichsweise gut.

Anders sieht es aus, wenn die Herausforderung nicht im Verwalten der Gegenwart, sondern im Gestalten der Zukunft liegt. In die Coronapandemie und in die neutralitätspolitischen Herausforderungen des Ukrainekriegs stolperte der Bundesrat mehr oder weniger unvorbereitet hinein. Digitalisierungsprojekte scheitern. Auf das elektronische Patientendossier warten wir seit dem Jahre 2007. In der Altersvorsorge und im Gesundheits- und Pflegebereich herrscht ein riesiger Reformstau. Die Umlagerungsziele des Alpenschutzartikels sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Die Energiestrategie 2050 entpuppt sich wenig überraschend als Rohrkrepierer. Das leichtsinnige Spiel mit der Versorgungssicherheit gefährdet unsere Zukunft. Und nun will uns das Parlament mit dem Klimaschutzgesetz weismachen, dass der Bund dafür sorgen wird, dass bis ins Jahr 2040 im Sektor Gebäude die Treib­haus­gasemissionen um 82 Prozent (und nicht 81 und auch nicht 83 Prozent) und im Sektor Verkehr um 57 Prozent vermindert werden. Mehr Selbstüberschätzung geht nicht. more

Politik

Manipulierte Meinungsbildung

Bundesräte, die den Bezug zur Realität verloren haben, können zurücktreten. Kaum jemand wird sie vermissen. Anders sieht es aus, wenn politischer Opportunismus unsere Institutionen beschädigt.

Dies gelesen: ««Nächste Woche stehen wichtige Entscheide an. Wenn es Ihnen dient, kann ich gerne einen Austausch mit Bundesrat Berset gegen Ende Woche organisieren.» (Mail von Peter Lauener an Marc Walder, Quelle: ww.nzz.ch, 21.1.2023)

Das gedacht: Zugegeben. Ich bin etwas naiv. In meinem Demokratieverständnis ist das Stimmvolk der Souverän. Ganz besonders in einer direkten Demokratie, in der Sachfragen von grundlegender Bedeutung vom Volk und den Ständen entschieden werden. Die Gesetzgebungskompetenzen liegen bei den Parlamenten, der Legislative. Die Aufgabe des Bundesrates, der Exekutive, ist es, diese Gesetze zu vollziehen.

So weit, so klar. Ebenso klar ist, dass Berufspolitiker an dieser Aufgabenteilung wenig Freude haben. Überzeugt von der eigenen Überlegenheit erleben diese das Stimmvolk als Sand im Getriebe. Und so gibt man Gegensteuer. Zum Beispiel über die Manipulation der veröffentlichten Meinung. Die eingangs zitierte «Zusammenarbeit» zwischen dem Departement Berset und dem Ringier-Konzern ist dabei nur die besonders hässliche und möglicherweise strafrechtlich relevante Spitze des Eisbergs. Und dieser Eisberg hat es in sich. Im Jahre 2021 investierte die Bundesverwaltung über 120 Millionen Franken in die Öffentlichkeitsarbeit. In Vollzeitstellen gerechnet erklärten uns nicht weniger als 410 bundeseigene Kommunikationsverantwortliche tagein tagaus, was richtig und was falsch ist und wie wir uns zu verhalten haben. Im Vergleich zu dieser staatlichen Propagandawalze sind die PR-Budgets der Parteien, Verbände und Interessenorganisationen nicht viel mehr als laue Lüftchen im Orkan der politischen Auseinandersetzung. more